Geschichte einer Nation von Helmut Walser Smith, dem letzten wichtigen Buch zum Thema (2020 erschienen, deutsch 2021), beginnt die deutsche Nation im Jahr 1500, weil von da an immer mehr Intellektuelle von ihr gesprochen haben, „Humanisten“ nicht nur, sondern auch Martin Luther, der Reformator, der eins seiner Bücher an den „christlichen Adel deutscher Nation“ adressierte.Wenn man dieser Sichtweise folgt, die sich am Vorkommen des Wortes „Nation“ orientiert, hat es Nationen schon in der Antike gegeben. Denn gemessen am Ziel einer „Assoziation freier Menschen“, wie Karl Marx und Friedrich Engels sie im Kommunistischen Manifest proklamierten, ist die Nation so sehr eine Projektion ins Unwirkliche, wie die vormals monarchistische Ideologie eine in den Himmel gewesen war.Das zeigte sich auch bald genug, denn die Monarchen, die es in Europa noch lange gab, erkannten schnell, dass sie das Nationverständnis für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren konnten. Da sieht man auch, wie die Nation in Andersons Verständnis mit dem Nationalismus zusammenhängt: Es ist der Staat, der ihn stiftet, indem er sich zum Nationalstaat erklärt.„Nation“ als Framing des BefreiungskampfsAber sowohl der französische revolutionäre Nationalstaat als auch die autoritären Staaten, die den Nationalismus aufgriffen, waren schon lange vor der Revolution auf dem Weg gewesen, die ganze Welt zu kolonisieren.
Author: Michael Jäger
Published at: 2025-12-04 16:50:00
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