Auf das zweite Motiv weist Reinhard Heinisch hin: Der Politikwissenschafter, der lange Zeit in den USA gelebt hat und nach wie vor an der University of Pittsburgh unterrichtet, beschreibt Europa im Gespräch mit der „Presse“ als Projektionsfläche für die immer verbissener ausgefochtenen innenpolitischen Kämpfe: „Die Republikaner blicken nach Europa – und sehen dort Demokraten.“ Diese mentale Gleichsetzung hat auch damit zu tun, dass sich die Partei von Donald Trump in den vergangenen Jahren auf der ideologischen Skala massiv nach rechts bewegt hat. Waren die europäischen Brüder im Geiste der Republikaner früher Parteien wie die CDU in Deutschland, die Gaullisten in Frankreich, die Democrazia Christiana in Italien oder hierzulande die ÖVP, so sind es heute die Alternative für Deutschland, Marine Le Pens Rassemblement National, die postfaschistischen Fratelli d‘Italia oder die FPÖ. Der niederländische Autor Geert Mak, der Anfang November in Wien mit dem Jean-Améry-Preis für europäische Essayistik ausgezeichnet wurde, hat im Gespräch mit der „Presse“ darauf hingewiesen, dass die Wut der Amerikaner aus dem Hinterland auf das liberale Establishment von den Republikanern kanalisiert und auf ein Europa umgeleitet wurde, das als Teil des Status quo und Profiteur der amerikanischen Gutherzigkeit dargestellt wird.
Author: Michael Laczynski
Published at: 2025-12-06 18:18:32
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