„Vom schlichten Prunk der Sprache“: Aus der ersten Sonntags-Beilage des Tagesspiegels

„Vom schlichten Prunk der Sprache“: Aus der ersten Sonntags-Beilage des Tagesspiegels


Der Widerwille gegen die abgegriffenen Klischeeworte, der Ekel vor der infamen Selbstgefälligkeit der Sprache Rosenbergs und vor der plumpen Anmaßung, mit der Ley und Saukel sich ausdrückten, der Katzenjammer darüber, daß Hermann Göring sich mit seinem Zirkus-Direktor-Deutsch in den Versammlungen der großen Industriehallen populär machen konnte, das Entsetzen über die Hohlheit, mit der Himmler vor dem Volkssturm sprach: das alles hat uns feinhörig gemacht. Wir wollen wieder eine Sprache, die im Grundbau einfach und klar ist, wir begreifen neu die Innerlichkeit Martin Luthers und die fanatische Logik Lessings, vor allem aber empfinden wir die hingegebene Tiefe der Sprache Goethes und die treibende Kraft von Hölderlins Rhythmik. Wir ertragen es nicht, daß die innere Klarheit und Logik, die Anschaulichkeit und seelische Wärme, die seit den Brüdern Humboldt und den Brüdern Grimm der Sprache der Wissenschaft die Weihe des Erlebens gab, für immer zerstört sein sollen.

Author: Der Tagesspiegel


Published at: 2025-11-18 15:13:42

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