Tagung in Graz: All diese multiplen Krisen der Germanistik

Tagung in Graz: All diese multiplen Krisen der Germanistik


Dass man die drängenden Fragen der Zeit nicht aufgegriffen hätte, kann man dem rund 1100 Vorträge umfassenden Kongressprogramm nicht vorwerfen: Die Veränderung der Lesekultur im Zeichen der Digitalisierung, Künstliche Intelligenz zwischen Generativität und Kreativität, Migration, Flucht und Krieg als Themen in der Literatur, Folgen der Pandemie, Diskurspraktiken sozialer Fremdpositionierung, Diversität im Sprachunterricht, sprachliche Intensivierung in Krisenzeiten – die Erkenntnis, dass dabei kleine Wörter wie „so“ oder „wie“ eine dramatisierende Wirkung haben können, ist das Privileg philologischen Fragens. Im Rahmen des Kongresses wurde der vom Auswärtigen Amt über den DAAD gestiftete Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Preis verliehen, der in diesem Jahr an den an der University of Dschang in Kamerun lehrenden Albert Guaffo ging, der zum Wissens- und Kulturtransfer im kolonialen Kontext, speziell am Beispiel Kamerun/Deutschland, geforscht, aber auch zur Provenienzforschung kultureller Artefakte seine kritische Stimme erhoben hat. Die politischen, sozialen und ökologischen Krisen der Gegenwart wird das Fach auch nicht bewältigen können, doch erschöpft sich seine Zuständigkeit nicht in der sprachkritischen Analyse, vielmehr befördert es im Umgang mit komplexen ästhetischen Sprachformen das, was Robert Musil den „Möglichkeitssinn“ genannt hat und in Zeiten des Umbruchs definitiv vonnöten ist.

Author: Martina Wagner-Egelhaaf


Published at: 2025-07-28 19:56:47

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