Der achtzig Minuten lange Film ist logischer Abschluss und künstlerisches Konzentrat von Syberbergs Versuchen, die Traumata der ehemals stolzen Stadt in Mecklenburg-Vorpommern, die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde und wo sich mehr als tausend Einwohner, da die Rote Armee einrückte, das Leben nahmen, mit Mitteln der Kultur zu therapieren. Die etwa fünfzig bis sechzig Filmfans, die im Moskauer Saal sitzen, schauen, wie auch die verschworene Runde im Speicher an der Peene, zunächst Syberbergs frühere „Demminer Gesänge“ I und II an, die mit authentisch wackliger Handkamera dokumentieren, wie der Regisseur und seine Mitstreiter im Stadtzentrum Theaterkulissen zerstörter Fassaden sowie eines Cafés errichten und dadurch auch Volkslieder, Kirchenchoräle, leichtsinnige Vorkriegssongs wenigstens zeitweise aus der Vergessenheit holen können. Wie der russische Sologeiger in der Aufnahme des Propagandasenders RT die Chaconne von Johann Sebastian Bach an der Stelle spielt, wo Islamisten zuvor Museumsleute hinrichteten, imponiert dem Künstler und lässt ihn für Sekunden von einem alternativen Kriegsende 1945 träumen – doch die sich anschließende Kamerafahrt über das kriegsversehrte Palmyra ruft heute vor allem durch Russland zerstörte ukrainische Städte sowie die islamistische Rückeroberung Syriens in Erinnerung.
Author: Kerstin Holm
Published at: 2025-09-30 19:34:27
Still want to read the full version? Full article