Rainald Goetz: Krieg und Literatur

Rainald Goetz: Krieg und Literatur


Rainald und ich sitzen auf der Treppe der Kunstakademie, sein Aufnahmegerät ist an, und wir reden fast drei Stunden darüber, warum ich ein paar Tage vorher beim Bachmannpreis in Klagenfurt als Juror untergegangen bin. Auch ungefähr zur selben Zeit: Rainald macht mir in einer großen Rezension eine Liebeserklärung, die nicht nur literarisch ist, er lobt meine altmodische, undeutsche Höflichkeit und meine wahrheitsspendende Wut, womit er indirekt sagt, dass er selbst das deutsche Gegenteil von mir sei. Und plötzlich verstand ich, warum ich in Wahrheit schon immer von Rainalds diktatorischer, realitätsverneinender Romantikprosa, von seinen wolkigen Weltfluchtdialogen, von seinen wirren Rundum-Beleidigungen so abgestoßen war – und darum auch immer ein bisschen von ihm.

Author: ZEIT ONLINE: Kultur - Maxim Biller


Published at: 2025-04-05 15:32:07

Still want to read the full version? Full article