Wir wissen, dass der pelzbemützte Mann mit der Mopsnase, welcher im Januarbild an festlicher Tafel hohe Geistliche und Ritter empfängt, niemand anderes ist als der Herzog von Berry, Sohn, Bruder und Onkel von drei französischen Königen und fanatischer Kunstmäzen in der ansonsten eher grausigen Epoche des Hundertjährigen Krieges. Während Frankreichs im Ehrenkodex verblendete Ritterheere eine Schlacht nach der anderen im Pfeilhagel britischer Bogenschützen verloren und das reichste Land der Christenheit Eroberung und Plünderung auslieferten, schuf sich der langlebige und schwerreiche Feudalprinz Jean de Berry sein Zauberfrankreich mit einem Kranz von Lustschlössern, das er dann als alter Mann in diesem Bilderzyklus durchblättern konnte. Was das legendärste Stundenbuch des Herzogs über feine Vorgängerwerke wie die „Petites Heures“, die „Belles Heures“ und sogar die „Très Belles Heures“ hinauswachsen lässt, sind zum ersten die Formate: Bis zu ihrem Hauptwerk exzellierten die Lymborchs in wahrhaftigen Mini-Miniaturen – das Fachwort hat übrigens nichts mit „klein“, sondern mit der roten Mennige-Farbe der Maler zu tun, die im lateinischen Wort „miniare“ (kolorieren) steckt.
Author: Dirk Schümer
Published at: 2025-07-29 16:52:05
Still want to read the full version? Full article