Wem das jetzt als nichts Besonderes erscheint, dem sei gesagt, dass der 1972 geborene französische Zeichner Luz (mit bürgerlichem Namen Réald Luzier) vor zehn Jahren zu den Überlebenden des Attentats auf „Charlie Hebdo“ zählte und nicht nur das Titelbild der aufs Massaker folgenden Ausgabe des französischen Satiremagazins gestaltet hat, sondern auch einige andere, in deren Figuren manche den Propheten Mohammed erkennen wollten – und es waren ja radikale Islamisten, die das Blutbad angerichtet hatten. Drei Wochen nach dem zehnten Jahrestag des Überfalls auf die „Charlie“-Redaktion wurde „Deux filles nues“, wie der Band im Original etwas indezenter heißt, auf dem Comicfestival von Angoulême als bestes Album des Jahres ausgezeichnet, und Luz nahm den Preis – den wichtigsten, der in Frankreich für Comics vergeben wird – persönlich auf der Bühne entgegen. Und vor ihm werden uns all die Menschen präsentiert, die sich das Bild ansehen: der Künstler, das Modell, die Interessenten, der Käufer, dessen Angehörige, die Nazi-Gutachter, Goebbels und Hitler als Besucher der Depots mit „entarteter Kunst“, die Ausstellungsbesucher, die Versteigerer, das Auktionspublikum, die glücklichen und großzügigen Littmann-Nachkommen und am Ende all die Bewunderer des Gemäldes im Museum Ludwig, darunter einer, der als kleiner Junge schon in der Münchner Schandausstellung seinen Spaß an den halbnackten Mädchen auf dem Bild hatte und nun als alter Mann wieder.
Author: Andreas Platthaus
Published at: 2025-04-30 18:39:34
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