Baltisches Theater: Kulturschätze im Schatten geopolitischer Bedeutung

Baltisches Theater: Kulturschätze im Schatten geopolitischer Bedeutung


Es ist die oft erzählte Geschichte vom Generationskonflikt einer Bauernfamilie, die hierzulande ein Franz-Xaver Kroetz in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts mit „Bauern Sterben“ oder ein Georg Ringsgwandl im selben Jahrzehnt in „Der varreckte Hof“ zur dramatischen Beobachtung bajuwarisch-ruraler Zustände führte: Der Vater will den Hof, der der Familie Indrani seit Jahrhunderten gehört, seinem jüngeren und nicht dem älteren Sohn vererben. Das Stück erzählt vor der Folie eines Familiendramas von den Verletzungen einer Zeitenwende um 1900, die nicht nur eine Familie, sondern ein ganzes Land auseinanderzutreiben droht: Vergangenheit und Zukunft, Tradition und Fortschritt – in einem fast schon lampedusahaften Erzählgestus gelingt Blaumanis das Porträt einer sich wandelnden Epoche. Wenden wir den theaterinteressierten Blick nach Litauen und Estland, so stechen dort neben einigen ebenfalls anziehenden historischen Stoffen vor allem die Theaterstücke von zeitgenössischen Autorinnen und Autoren ins Auge: beispielsweise die des 1965 in Obelai geborenen Dramatikers Sigitas Parulskis, der in seinen Stücken oft einen ironisch-bitteren Blick auf die Orientierungslosigkeit der postsowjetischen Generation nach der Unabhängigkeit 1990 wirft.

Author: Boris Motzki


Published at: 2025-08-23 09:09:08

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